Die Oscars: Gute Entscheidungen

Oscar-Nacht. Hollywood feierte seine Helden. Und natürlich, die Traumfabrik weiß, wie ein solcher Abend inszeniert werden muss. Wo wüsste man besser, wie Heldengeschichten geschrieben werden, wie die Gefühle des großen Triumphs und der Niederlage geweckt werden? Feierlich und ernsthaft ging es zu, aufgelockert und ironisch gebrochen immer wieder durch die wundervoll witzige Moderatorin Ellen DeGeneres. Die Oscars seien eine Feier, kein Wettkampf – das saß. Aber das wichtigste, so Ellen DeGeneres, sei ja die Liebe, Freundschaft, Familie. Wer all das nicht hat, geht ins Showbusiness.

ProSieben, das die Oscars im Deutschen Fernsehen zeigte, fand dagegen den treffenden Ton in der Vorberichterstattung offenbar nicht, wie auf flinkefilme in lakonischen Sätzen zur Oscar-Nacht zu lesen ist: Unendlich peinlich, vor allem der Gätjen.

Doch ansonsten kaum Empörung! Im Unterschied zu einem Filmfestival, wie der Berlinale, profitieren die Oscars vom zeitlichen Abstand. Die meisten Filme sind längst im Kino gelaufen, das Publikum und die Kritiker hatten genug Zeit, sich ein Urteil zu bilden – oder einen Film wieder zu vergessen. Trotzdem: Manchmal decken sich die Erwartungen des Fachpublikums nicht mit den tatsächlichen Gewinnern. Doch die diesjährigen Oscargewinner werden weitgehend von den Bloggern als würdige Preisträger empfunden.

Ein Blick zurück ist da aufschlussreich. Auf Zeilenkino wurden die erwarteten und erwünschten Oscar-Gewinner kurz vor der Verleihung vorgestellt. Cate Blanchett als beste Hauptdarstellerin und Matthew McConaughey als bester Hauptdarsteller waren also keine großen Überraschungen. Auch 12 Years a Slave als bester Film, und dass Alfonso Cuarón für Gravity den Oscar für die beste Regie-Arbeit erhielt, schien vorhersehbar zu sein.

Allein Spike Jonzes Her scheint etwas herauszufallen. Der Film konnte schließlich den Oscar für das beste Originaldrehbuch ergattern, eine Kategorie, in der American Hustle als Favorit galt. Und auf filmosophie ist noch die Empörung zu hören, dass Joaquin Phoenix für seine Rolle in Her überhaupt nicht für einen Oscar als Hauptdarsteller nominiert war. Her erzählt eine Science-Fiction-Geschichte, die immer wieder erzählt worden ist. Ein echter Mensch, meist männlich, verliebt sich in ein Computerprogramm, in der Regel weiblich. Hier verliebt sich Theodore, gespielt von Joaquin Phoenix, in das Betriebssystem Samantha.

Doch auf filmosophie wird ausgeführt, wie vielschichtig der Film mit der Frage der Authentizität spiele. Das beginnt damit, wie die Science-Fiction-Welt entworfen ist: Nämlich gar nicht, wie es den Konventionen entspräche, futuristisch, sondern ein Retro-Look werde mit moderner Technik gemischt. Da kommt auch der Oberlippenbart wieder in Mode. Das wirft die Frage auf, was denn Authentizität in einem Science-Fiction-Film sei. Etwa das, was die Zuschauer eben als typische Science-Fiction erwarten?

Die Liebe zu einem Computerprogramm kann ebenfalls nicht authentisch sein, oder? Sie wäre dann Wahn. Aber das Virtuelle bestimmt längst darüber, was wir als ‚echt‘ empfinden. Die Liebe ist ‚echt‘, die einem Liebesfilm nahekommt – am besten von Hollywood. Aléa Torik hat auf ihrem Blog immer wieder über solche Fragen der Authentizität nachgedacht.

Wie authentisch ist also der Oscar-Abend? Wie authentisch die Rede von Lupita Nyongʼo, der fast die Stimme bricht, als sie den Oscar als beste Nebendarstellerin erhält? Eine großartige Schauspielerin, die das nicht überspielen kann? Sie muss es nicht überspielen. Für Herbert Bauernebel hält Nyongʼo eine der schönsten Oscar-Reden überhaupt. Und weitgehende Einigkeit besteht darin, dass hier die Geschichte der Schauspielerin Lupita Nyongʼo erst richtig beginnt. In Hollywood weiß man, wie eine solche Heldengeschichte erzählt werden muss.